- «Dein Körper gehört dir!»
Kinder haben das Recht, zu bestimmen, wie, wann, wo und von wem sie angefasst werden möchten. Sie bestimmen also allein über ihren Körper. Durch die Förderung eines positiven Körperbewusstseins ermöglichen Sie es Ihrem Kind, sich als einzigartig und wertvoll zu sehen und stolz auf den eigenen Körper zu sein. Ein sicheres und selbstbewusstes Körpergefühl hilft, Grenzverletzungen klar wahrzunehmen und sich dagegen zu wehren.
- «Deine Gefühle sind richtig und wichtig»
Sie können Ihrem Kind erklären, dass unangenehme Gefühle ihm zeigen können, wann etwas nicht stimmt. Dass sich etwas komisch, eklig oder unangenehm anfühlt, ist immer «richtig», und Kinder müssen lernen, darauf zu vertrauen. Kinder, die lernen, auf ihre Empfindungen zu achten, lassen sich weniger leicht zu sexuellen Handlungen überreden. Erklären Sie Ihrem Kind auch, dass es gut ist, wenn es über seine Gefühle spricht, besonders wenn es unangenehme Gefühle sind. Es hilft Kindern, wenn Eltern sie darin unterstützen, ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen, ihnen zu vertrauen und sie auszudrücken.
- «Es gibt angenehme und unangenehme Berührungen»
Bereits Babys und Kleinkinder können zwischen angenehmen und unangenehmen Berührungen unterscheiden. Kinder sollen darin bestärkt werden, unterschiedliche Berührungen bewusst wahrzunehmen und einzuordnen, welche für sie in Ordnung sind und welche nicht. Wichtig ist, ihnen ausdrücklich zu erlauben, unangenehme oder komische Berührungen zurückzuweisen. Kinder müssen wissen und hören, dass kein Erwachsener und kein anderes Kind das Recht hat, seine Hände unter ihre Kleider zu stecken und sie an der Vulva, am Penis oder am Po zu berühren. Und dass niemand dazu überredet werden darf, eine andere Person an den Geschlechtsteilen anzufassen. Kinder müssen aber auch darauf hingewiesen werden, dass es unangenehme Berührungen gibt, die sich nicht vermeiden lassen, zum Beispiel im Krankenhaus.
- «Du hast das Recht, Nein zu sagen»
Kinder sollen Grenzen ziehen und Nein sagen dürfen. Es ist wichtig, dass sie darin gefördert werden, die eigenen Grenzen zu spüren und zu respektieren. Sie können gemeinsam mit Ihrem Kind überlegen, in welchen Situationen es sinnvoll ist, nicht zu gehorchen, und mit welchen Mitteln das Kind sich wehren kann. Kinder müssen aber auch darauf vorbereitet werden, dass es Situationen gibt, in denen sie sich nicht wehren können oder ihr Nein ignoriert wird. Zum Beispiel dann, wenn grössere Kinder ihnen ein Spielzeug wegnehmen. Akzeptieren auch Sie das Nein Ihres Kindes. Natürlich gibt es Situationen, in denen Kinder gehorchen müssen. Wenn es aber um den eigenen Körper geht, soll jeder Mensch selbst bestimmen dürfen – auch Kinder. Es ist wichtig, dass Kinder zu Hause die Erfahrung machen können, dass sie auch Nein sagen und Erwachsenen widersprechen dürfen, und dass sie erleben, dass Erwachsene nicht immer selbstverständlich im Recht sind. Kinder, die erfahren, dass ihr Nein nicht einfach übergangen wird und dass sie in Entscheidungen ein Mitspracherecht haben, sind eher in der Lage, Nein zu sagen. Zum Recht, Nein zu sagen, gehört auch, das Nein des Gegenübers zu akzeptieren. Beharren Sie also auch als Erwachsene darauf, wenn Sie bestimmte Berührungen nicht mögen oder sie Ihnen zu viel werden.
- «Es gibt gute und schlechte Geheimnisse»
Kinder lieben Geheimnisse, denn sie sind aufregend und spannend. In der Regel wollen Kinder Geheimnisse nicht verraten. Personen, die Kinder sexuell ausbeuten, nutzen dies aus: Sie erzählen Kindern, dass sie nun ein gemeinsames Geheimnis haben. Sie verpflichten Kinder zum Stillschweigen über die erfolgten sexuellen Handlungen und verstärken den Geheimhaltedruck oftmals mit Drohungen. Für Kinder ist es daher wichtig, zwischen guten und schlechten Geheimnissen zu unterscheiden. Das ist gar nicht so einfach. Sie können Ihrem Kind Beispiele von «guten Geheimnissen» nennen. Was das Geschwister zum Geburtstag bekommen wird, ist ein «gutes Geheimnis», es fühlt sich aufregend an. Ein «schlechtes Geheimnis» ist zum Beispiel, wenn ein Erwachsener ein Kind geschlagen hat und das Kind anweist, dies als Geheimnis zu wahren. Schlechte Geheimnisse verursachen ein Nein-Gefühl, sie fühlen sich schwer und unangenehm an. Diese Geheimnisse sollen Kinder unbedingt weitererzählen, auch wenn sie versprochen haben, dies nicht zu tun. Sie sind als Eltern gut beraten, wenn Sie dafür sorgen, dass sich zu Hause keine Geheimniskultur entwickelt. Wenn Kinder erleben, dass auch unangenehme Dinge besprochen werden, trauen sie sich eher, ebenfalls über unangenehme oder beschämende Erlebnisse zu sprechen. Kinder, die erfahren haben, dass sich ihre Eltern und andere Personen aus ihrem Umfeld für ihre Sorgen und Probleme interessieren und ihnen zur Seite stehen, können sich auch bei sexuellem Missbrauch eher jemandem anvertrauen.
Kinder können sexuelle Ausbeutung in der Regel nicht aus eigener Kraft verhindern. Sprechen Sie daher mit Ihrem Kind darüber, dass es sich Hilfe suchen kann. Gemeinsam können Sie überlegen, wem Ihr Kind besonders vertraut. Dabei sollten Sie erwähnen, dass andere Kinder zwar eine gute Unterstützung bieten, aber das Problem meist auch nicht lösen können. Es ist darum wichtig, dass Kinder sich einem Erwachsenen anvertrauen. Die Nachbarin, der Lehrer, die Schulsozialarbeiterin oder die Tageseltern könnten solche Personen sein. Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, wo es überall Hilfe holen kann. Manchmal muss man auch zu mehreren Personen gehen, bis man Hilfe bekommt. Kinder sollen hören und erfahren, dass es kein Zeichen von Schwäche ist, wenn jemand Hilfe braucht. Im Gegenteil: Es ist mutig und stark, sich Unterstützung zu holen. Auch Sie als Eltern brauchen manchmal Hilfe. Scheuen Sie sich nicht, mit Fachpersonen und Freunden über Ihre Probleme zu sprechen.
Bringen Sie Ihrem Kind bei, dass es nicht schuld ist, egal was passiert ist. Immer die Erwachsenen sind in der Verantwortung, wenn es um sexuelle Grenzverletzungen oder Übergriffe geht. Für Kinder ist dies manchmal schwierig zu verstehen. Sie denken, dass sie mitschuldig oder «selbst schuld» sind, weil sie sich in einer bestimmten Situation falsch verhalten haben, weil sie nicht brav waren oder die Anweisungen von Erwachsenen nicht befolgt haben. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, zu betonen: «Du bist nicht schuld.»